Yardbirds in Locarno und Ascona

Text in German only

Im August 1964 verbrachte ich mit meinen Eltern den Urlaub in Locarno. Wir wohnten in einer Ferienwohnung in Locarno-Monti. Ich war damals 17 Jahre alt, ging in Ludwigshafen auf das Gymnasium und versuchte mich seit ca. einem Jahr an der Gitarre.

Nach einem Fernsehauftritt von Siegfried Behrend - einem damals schon bekannten klassischen Gitarristen - war ich ganz begeistert und wollte unbedingt klassische Gitarre lernen. Ich kaufte mir also 1963 eine entsprechende Gitarre nebst einer Gitarrenschule von Matteo Carcassi und begann zu üben. Einen Gitarrenlehrer hatte ich nie, sondern ich habe mir alles selbst beigebracht.

An einem Abend, als wir nun in Locarno weilten, ging ich ins Lido. Irgendwo und irgendwie hatte ich mitbekommen, daß da am Abend eine englische Band spielen sollte.

Wobei zu dem Zeitpunkt der Begriff Band eher unüblich war. Man sprach eher von einer Gruppe.

Die Band hatte ihr Equipment auf der Terrasse aufgebaut. An das Schlagzeug kann ich mich nicht mehr erinnern aber natürlich an die Amps. Typisch für englische Bands in dieser Zeit waren die AC30 von Vox und der entsprechende Bass-Amp von Vox mit den typischen Boxen mit den 18 Zoll Lautsprechern. Eric Clapton spielte in diesen Tagen eine Fender Jazzmaster in Three Tone Sunburst, Chris Dreja spielte eine rote Telecaster und Paul Samwell-Smith spielte einen Epiphone Rivoli, der damals von vielen englischen Musikern benutzt wurde, z.B. auch von Chas Chandler. Das Original von Gibson konnten sich damals nur wenige Leute leisten. Zusammen mit den 18 Zoll Lautsprechern ergab sich mit dem Rivoli dieser typische wummernde Bass.

Ich weiß noch wie ich total von den Socken war, als die Yardbirds loslegten. Für mich als Gitarrero ging die Sonne auf. Das wars!

Da Keith Relf zu dieser Zeit krank war - ich kannte natürlich zu dem Zeitpunkt weder die Band noch die einzelnen Musiker - sang Eric Clapton die meisten Stücke. An diesem Abend war auch kein anderer Musiker oder Sänger zugegen.

Besonders erinnern kann ich mich an Good Morning little Schoolgirl und Here Tis.

Ich liebte speziell die UpTempo- Nummern. Das war auch später noch der Fall, als ich in verschiedenen Bands spielte. Bei mir musste es immer ‚losgehen‘.

In den Pausen legten die Yardbirds Platten auf, hauptsächlich von Chuck Berry.

An die Chuck Berry on Stage, die ich mir dann auch kaufte, erinnere ich mich noch genau.

Nach diesem ersten Abend mit den Yardbirds wollte ich unbedingt noch ein zweites Mal diese Band sehen. Am Abend darauf saß ich mit meinen Eltern auf der Terrasse unserer Ferienwohnung und aus der Tiefe - bis zum Lido waren es schätzungsweise 2 km Luftlinie - hörte man die Yardbirds spielen. Am nächsten Tag brachte ich in Erfahrung, daß die Yardbirds in Ascona spielen sollten. Ich hatte im Schwimmbad noch einen Schlagzeuger aus Würzburg kennengelernt, und überredete ihn, daß wir an dem entsprechenden Abend - es war der 21. August nach Ascona fahren.

An diesem Abend traten neben den Yardbirds noch Ann Love, eine farbige Sängerin, auf, die drei oder vier Liedchen trällerte. Aus meiner damaligen Sicht nichts Dolles. Mit den Yardbirds trat dann noch Mick O`Neill auf, der einige Stücke mit den Yardbirds sang. Die meisten Stücke sang allerdings wiederum Eric Clapton, von dem ich so begeistert war, daß ich einen Mann, der mit den Musikern zusammen war, ansprach. Erst Jahre später wusste ich, daß das der Yarbirds-Manager Giorgio Gomelsky war.

Dieser G.G. kam dann an unseren Tisch und brachte mir den Flyer mit den Autogrammen, die mich zu diesem Zeitpunkt gar nicht interessierten.

Am Tag nach dem Auftritt der Yardbirds in Ascona war ich in Locarno in einem kleinen Kaufhaus und fand dort die Single der Yardbirds mit den Autogrammen. Wie mir G.G. erzählte, war dies die erste Single der Yardbirds und er erzählte weiter, daß in wenigen Wochen die erste Single in Deutschland erscheinen sollte, nämlich „Boom Boom Boom“.

Als ich nach unserem Urlaub wieder zuhause war, machte ich alle Leute verrückt mit meiner Geschichte über die Band, die ich im Urlaub gesehen hatte. Ich klapperte wochenlang alle Schallplattenläden ab, bis ich endlich die „Boom Boom Boom“ bekam.

Danach kaufte ich natürlich die „Five Live Yardbirds“ LP, „Sonny Boy Williamson und die Yardbirds“ ect. Die „Five Live Yardbirds“ geben in etwa die Stimmung der Auftritte in Locarno und Ascona wieder, wobei da natürlich der visuelle Anteil fehlt.

Diese beiden Auftritte haben mich als Gitarristen ganz entscheidend beeinflußt. Daß die Yardbirds viele Jahre meine Lieblingsband waren, ist klar.

Kurze Zeit später kaufte ich mir meine erste E-Gitarre mit Amp und spielte ein paar Monate später in meiner ersten Band.


Text: Jürgen Schröter, Neunkirchen-Seelscheid, Deutschland